Die Lage Hilfloser ausgenutzt
»In Afghanistan waren wir ein kleines Team von Christen, das sich in den Häusern traf. Als die Taliban an die Macht kamen, verhafteten sie zwei Männer aus unserer Gruppe. Den einen töteten sie. Den anderen verprügelten sie so heftig, dass er bis heute nicht gehen kann. Seine schwangere Frau warfen sie ins Gefängnis, das Baby starb.
Ich war gezwungen, nach Pakistan zu fliehen. Als ich hier ankam, wusste ich nicht wohin. Da traf ich eine Person, die vorgab, mir helfen zu können. Er sagte: ›Du kannst in meiner Herberge wohnen. Ich bin auch Christ, du wirst in Sicherheit sein.‹ Doch leider musste ich später feststellen, dass er ein Menschenhändler war. Er sperrte junge Frauen ein, suchte Ehemänner für sie und verkaufte sie dann an diese.
Ich lebte zwei Monate in diesem Heim. Es war den Frauen nicht erlaubt, zusammen zu sprechen. Er ließ nicht zu, dass wir nach draußen gingen, die Türen waren immer verschlossen. Ich war schockiert und fragte mich, wo ich hier war. Es fühlte sich nicht an wie ein Aufenthalt in einer Herberge, sondern wie in einem Gefängnis.
Eines Tages gelang es mir, mit einer anderen Frau zu sprechen. Ich fragte sie, was denn hier los sei. Sie erzählte, dass vor uns schon etwa 20 andere junge Frauen aus sehr schwierigen Situationen hier gewesen waren. Ich beschloss, aus diesem Heim zu fliehen.
Während meines Aufenthalts lernte ich auch Jamila kennen. Als sie merkte, dass etwas nicht stimmte, sagte sie zum Besitzer: »Ich will hier weg!« Er antwortete ihr: »Okay, du kannst gehen.« Dann beauftragte er einen Mitarbeiter, sie nach Afghanistan zurückzubringen. Aber der Plan war ein anderer: Er sollte die Frau in der Nähe der Grenze töten. Denn zuhause würde sie allen erzählen, was ihr zugestoßen war, und es würden sich keine Frauen mehr anlocken lassen. Aber der Mitarbeiter, der sie hätte umbringen sollen, half Jamila zu fliehen.
Zurzeit bin ich auf Medikamente angewiesen. Ich bin von der zweimonatigen Gefangenschaft immer noch traumatisiert, schreie im Schlaf, habe Panikattacken und leide an Depression. Ohne ein Visum kann ich keine Ausbildung machen. Ich würde aber gerne Computerkurse besuchen, um eine Arbeit zu finden. Denn das Geld reicht gerade mal für die Lebensmittel, Miete, Stromrechnung und Medikamente.«