Drei Leidenswege
Die Exil-Iranerin Amira (Name geändert) ist die Tochter eines der ersten christlichen Märtyrer der Islamischen Revolution. Amira blickt zurück: »Als mein Vater vier Jahre alt war, lebten in seinem Dorf im Iran nur sehr wenige Christen, darunter eine Krankenschwester. Die muslimischen Kinder hassten sie und warfen Steine nach ihr. Das tat auch mein Vater. Doch einmal, als er dann wegrennen wollte, stolperte er und fiel hin. Die Frau kam zu ihm, und mein Vater hatte Angst, dass sie ihn schlagen würde. Doch sie tröstete ihn und half ihm auf.
Diese Erinnerung brannte sich in sein Gedächtnis ein. Als er 16 Jahre alt war, kam er durch Gespräche mit einem Christen zum Glauben an Jesus. Aber er sagte immer wieder: ›Ein wichtiger Grund, dass ich Christ wurde, war die Krankenschwester.‹
Als mein Vater Jesus annahm, schickte ihn seine Mutter weg. Er reiste in eine andere Gegend und fand Arbeit in einem christlichen Spital. Im angrenzenden Waisenhaus lebte auch eine junge Frau, die blind war und an Jesus glaubte. Mein Vater sah sie täglich, und eines Tages lernten sie sich kennen. Sie verliebten sich und heirateten. Meine Eltern und wir vier Kinder ließen uns in Maschhad, der zweitgrößten Stadt des Irans, nieder.
Im Alter von 40 Jahren gründete mein Vater eine Kirche in unserem Haus. Zehn Jahre später kam Ajatollah Chomeini an die Macht. Unsere Kirche wurde geschlossen, mein Vater verhaftet und ermordet. AVC-Pioniere unterstützten damals unsere traumatisierte und orientierungslose Familie.«
Pastor M. – Trauma von Haft und Folter überwunden
Pastor M. kam vor über 20 Jahren im Iran zum Glauben an Jesus. Eine damals noch tolerierte christliche Fernsehsendung traf ihn mitten ins Herz. Der Heilige Geist erinnerte ihn an eine Begebenheit. Als er vier Jahre alt war, sah er, wie andere Kinder von ihren Vätern geherzt wurden. Das machte M., der seinen Vater sehr früh verloren hatte, sehr traurig. «Ich fragte meine Mutter, wo denn mein Papi sei. Und sie sagte: ›Papi ist im Himmel.‹« Und als sich M. daran erinnerte, hörte er eine Stimme, die drei Mal zu ihm sagte: »Ich bin dein Vater.« Tief bewegt gab er sein Leben Jesus.
M. wurde Pastor und gründete in Teheran eine Kirche. Im Zuge der Verhaftungswelle von 2003 stürmte die Polizei das Gebäude und nahm alle fest. Zunächst kam M. in Einzelhaft. Die Beamten folterten ihn und drohten, ihn und seine Familie zu töten, wenn er nicht zum Islam zurückkehren würde.
Doch Gott machte Pastor M. stark und er blieb standhaft. Die Situation im Gefängnis war unerträglich. Er und weitere 28 Personen waren in einem Raum von vier auf fünf Metern eingepfercht, ohne Betten, ohne Toilette. Die Männer lagen halb aufeinander, es gab kaum Luft zum Atmen, überall Insekten, Kot und Ratten. Und doch verwandelte sich diese Zelle bald schon in eine kleine Kirche, in der Pastor M. von Hoffnung und Liebe erzählte und davon, dass Jesus die Quelle des Lebens ist. Einige Häftlinge, darunter ein mehrfacher Mörder, gaben ihr Leben Jesus.
Nach fünf Jahren unter übelsten Bedingungen kam Pastor M. frei und reiste seiner Familie in die Türkei nach. Das Trauma der Gefangenschaft aber hatte er nicht überwunden. Er wurde depressiv und flüchtete sich in Alkohol und Zigaretten. Eines Tages sah er Jesus, der ihn fragte: »Warum bist du so traurig?« M. war wie gelähmt und konnte Jesus nur in seinem Herzen antworten. Diese Begegnung gab ihm neuen Lebensmut und befreite ihn von seinen Süchten.
Pastor S. – beschwerliche Flucht mit Baby
»Jeder, der im Iran an Jesus Christus glaubt, ist dem Risiko ausgesetzt, eines Tages verhaftet zu werden«, berichtet Exil-Iraner Pastor S. »Es traf auch unsere Familie. Die Atmosphäre im Gefängnis roch nach Friedhof. Es war der Geruch von Tod und vom Schrecken derer, die vor uns dort gelitten hatten. In einer lächerlichen Gerichtsverhandlung wurden wir der Verbrechen gegen die nationale Sicherheit beschuldigt. Gegen eine Kaution von dreihundert Millionen Toman (6000 Euro) ließ man uns frei.
Unsere Tochter Lydia, damals noch ein Baby, wurde gewaltsam aus den Armen meiner Frau M. gerissen und der Wohlfahrt übergeben. Wir danken Gott, dass wir sie nach langwierigem Kampf auf dem Gerichtsweg zurückbekamen. Dann beschlossen wir, das Land zu verlassen. Wir reisten in eine Stadt im Norden Irans, um mit einer Schlepperorganisation in die Türkei zu gelangen. Nachdem wir in den LKW gestiegen waren, dauerte es acht Stunden, bis die Fahrt losging. In diesem Gefängnis auf Rädern hätte niemand seine Stimme erheben dürfen, sonst wären wir alle verhaftet worden. Wir saßen auf losen Steinen. Auf der holprigen, staubigen, lärmigen Fahrt wurden wir und unsere wenige Monate alte Tochter ohne Pause durchgeschüttelt. Doch Lydia schlief wie ein Wunder einfach durch. Es gab nichts zu essen und zu trinken. Nach 18 langen Stunden erreichten wir die Türkei, wo wir von Mitarbeitern von AVC unterstützt wurden.«